Die Halbinsel Pütnitz ist ein Naturparadies
- etwa 10% der Fläche sind gesetzlich geschützte Biotope. Dazu gehören etwa Alleen, Feldgehölze, Röhrichte, Feuchtwiesen, Kleingewässer und Feuchtgebüsche,
- ist Lebensraum streng geschützter Tierarten wie z.B. Fischotter, Kammmolch, Moorfrosch, kleiner Wasserfrosch, Zauneidechse, Mopsfledermaus, Großer Abendsegler, Wasserfledermaus sowie diverser Vogelarten,
- ist ebenfalls Lebensraum besonders geschützter Pflanzenarten, beispielsweise Sumpf-Schwertlilie, Heide-Nelke, Zierliches Tausendgüldenkraut oder Körnchen-Steinbrech.
Die wertvolle Tier- und Pflanzenwelt und die seltenen Biotope sind in den naturschutzfachlichen Kartierungen und im Umweltbericht ausführlich dokumentiert, die anlässlich des Raumordnungsverfahrens und der Vorbereitungen für das massentouristische Vorhaben auf Pütnitz von der Stadt Ribnitz-Damgarten beauftragt wurden.
Erhebliche Eingriffe in dieses Naturparadies durch Munitionsbergung seit Dezember 2022
- es wird mit schwerem Gerät auf etwa 12 ha Fläche nach Munition gebaggert,
- teilweise werden die Flächen bis zu einer Tiefe von etwa 2 Metern komplett ausgebaggert, sog. Volumenräumung,
- es werden auf mehreren Hektar Fläche Bäume gefällt,
- es werden Buschwerk und Sträucher ebenfalls auf einer Fläche von mehreren Hektar entfernt,
- siehe Fotos am Ende.
Lösungsmechanismus für Konflikt zwischen Natur und Eingriffe sind gesetzlich geregelt
Damit bestehen eine Vielzahl schwieriger Konflikte zwischen den geschützten Biotopen, Tierarten und Pflanzen auf der einen Seite und den Eingriffen aufgrund der Munitionsbergung auf der anderen Seite. Einen Lösungsmechanismus für diese Konflikte hat der Gesetzgeber und die Rechtsprechung vorgegeben. Im Wesentlichen ist folgendes festgelegt:
- Eingriffe bedürfen einer Genehmigung durch die Naturschutzbehörde,
- Der Antrag für eine Genehmigung muss Gutachten enthalten, das die konkreten Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt beschreibt,
- Naturschutzverbände haben ein Mitwirkungsrecht bei einer möglichen Beeinträchtigung von Biotopen,
- Naturschutzverbände haben ein Widerspruchsrecht gegen Genehmigungen der Naturschutzbehörde und dürfen dann Einblick in die Akte der Naturschutzbehörde nehmen.
Jetzt sollte man annehmen, dass es ein zähes und langwieriges Ringen zwischen der Naturschutzbehörde und der Stadt Ribnitz-Damgarten gibt, um für die beschriebenen erheblichen Konflikte auf Pütnitz konkrete Lösungen zu finden. Das ist so in allen vergleichbaren Fällen überall in Deutschland. Das Aufstöhnen über zu viel Naturschutz auf der einen Seite und Beschwerden über rücksichtslose Vorhabensträger auf der anderen Seite findet sich jeden Tag in den Medien bei vergleichbaren Konflikten.
Alles anders auf Pütnitz: Naturschutzbehörde als unterwürfiger Erfüllungsgehilfe für Massentourismus
Das gilt aber nicht für die Munitionsbergung auf Pütnitz. Bei diesem Konflikt ist alles anders. Hier agiert die zuständige Naturschutzbehörde (untere Naturschutzbehörde beim Landrat Vorpommern-Rügen) nicht als selbstbewußter Hüter der Interessen von Natur und Landschaft, sondern als eine Art unterwürfiger Erfüllungsgehilfe der Stadt Ribnitz-Damgarten. Die Naturschutzbehörde verweigert in Bezug auf Pütnitz – mittlerweile ganz offen – ihre grundgesetzliche Pflicht, die gesetzlichen Regelungen zum Naturschutz anzuwenden und umzusetzen. Das zeigt sich in folgenden Verhaltensweisen der Naturschutzbehörde:
- Die Naturschutzbehörde akzeptiert, dass die Stadt Ribnitz-Damgarten ohne Genehmigung erhebliche naturschutzrechtliche Eingriffe vornimmt,
- Die Naturschutzbehörde bescheidet Genehmigungsanträge der Stadt Ribnitz-Damgarten nicht. Stattdessen sieht die Naturschutzbehörde zu, wie die Stadt Ribnitz-Damgarten „Fakten“ schafft, indem die Stadt nicht auf eine Genehmigung wartet, sondern die Arbeiten einfach ausführt. Die Naturschutzbehörde schreitet gegen diese Arbeiten nicht ein.
- Die Naturschutzbehörde bezieht die anerkannten Naturschutzvereine nicht – wie gesetzlich vorgeschrieben – in den Genehmigungsprozess zum Eingriff in Biotope ein,
- Die Naturschutzbehörde versagt den Naturschutzvereinen das gesetzliche Recht auf Akteneinsicht.
Es ist unklar, was die Gründe für ein solches Verhalten der Naturschutzbehörde bei der Munitionsbergung auf Pütnitz sind. Es steht allerdings fest, dass dieses Agieren der Naturschutzbehörde nicht auf einem Missverständnis beruht oder Zufall ist. Denn unsere Bürgerinitiative – teilweise im Zusammenwirken mit dem Verein für Landschaftspflege & Artenschutz in MV (VLA MV) und dem BUND MV – weisen die Naturschutzbehörde kontinuierlich seit September 2022 auf die Vorgänge und Rechtslage bzgl. der Munitionsbergungsarbeiten hin, vgl. Zusammenstellung im Anhang.
Das Schweigen der Fachaufsichtsbehörde und des Ministers Hr. Dr. Backhaus
Das skandalöse Verhalten der Naturschutzbehörde wird flankiert von einem Verhalten der zuständigen Fachaufsicht für die Naturschutzbehörde und des zuständigen Landesministers, welches sich ebenfalls durch Ignoranz und Nichtstun auszeichnet:
- Das Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umweltschutz als Fachaufsichtsbehörde beantwortet gestellte Fachaufsichtsbeschwerde nicht,
- Der zuständige Landesminister – Hr. Dr. Backhaus – verweigert eine Antwort auf nunmehr zwei Briefe von Naturschutzverbänden und Vereinen zu den naturschutzrechtlichen Zuständen auf Pütnitz.
Nimmt Politik Einfluss auf Verwaltungshandeln, um politisch gewollten Massentourismus zu ermöglichen?
Dadurch entsteht der Anschein eines bewussten Zusammenwirkens der genannten Behörden und Personen mit dem Ziel, naturschutzrechtliche Regelungen nicht anzuwenden, damit die Munitionsbergungsarbeiten für den geplanten Massentourismus auf Pütnitz möglichst schnell und kostengünstig durchgeführt werden können.
Besonders alarmierend ist, dass sich hier der Verdacht aufdrängt, dass politische Erwägungen das Handeln der Verwaltung bestimmen. Denn in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Linken wurde besprochen, dass keine touristischen Großprojekte in MV mehr umgesetzt werden sollen mit Ausnahme des geplanten Massentourismus auf Pütnitz.
Anhang: Detaillierte Chronologie eines Versagen der zuständigen Naturschutzbehörde beim Landrat Vorpommern-Rügen in der Zeit von September 2022 – Januar 2024
Der nachfolgende Auszug der Historie zeigt das Ringen unserer Bürgerinitiative, teilweise in Kooperation mit den Naturschutzverbänden des VLA MV und des BUND MV, die grundgesetzliche Pflicht der Verwaltung einzufordern und für gesetzeskonforme Vorgänge bei der Munitionsbergung auf Pütnitz zu sorgen. Es zeigt zugleich das vollständige Versagen der Naturschutzbehörden:
19.9.2022 – 8.1.2023
- Insgesamt 3 Schreiben an und ein Telefonat mit dem Leiter der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde beim Landrat Vorpommern-Rügen (UNB) zur Sensibilisierung der UNB hinsichtlich notwendiger Genehmigungen für die ab Januar 2023 beginnenden Munitionsbergungsarbeiten,
- UNB teilt mit, dass es keine Anträge der Stadt Ribnitz-Damgarten (Vorhabenträger) gibt und sagt unserer Bürgerinitiative Gespräch zu, wenn Anträge vorliegen,
- dieses Gespräch hat bis heute nicht stattgefunden.
16.1.2023 – 05.03.2023
- Bürgerinitiative wendet sich insgesamt 3-mal schriftlich, jeweils mit Fotodokumentation an die UNB mit Hinweis auf die nunmehr in vollem Gange befindlichen Munitionsbergungsarbeiten, die zu zahlreichen genehmigungspflichtigen Eingriffen führen und fordert UNB zum Einschreiten auf,
- Keine Antwort der UNB,
09.03.2023 – 13.03.2023
- 09.03.2023: Bürgerinitiative sucht spontan die Räume der UNB in Grimmen auf, um Klärung herbeizuführen,
- die zuständigen Mitarbeiter sind wegen Krankheit und Homeoffice nicht vor Ort,
- in Telefonat mit zuständigem Sachbearbeiter wird Zusendung der seit 6 Monaten von uns verlangten Informationen vereinbart,
- Zusendung von 2 Anträgen des Vorhabenträgers und zwei Genehmigungen der UNB:
– Genehmigung vom 9.2.2023 zur Schilfmahd an Uferzonen (etwa 5 Kampfmittelverdachtsflächen),
– Genehmigung vom 24.2.2023 für Munitionsbergungsarbeiten über den 28.2.2023 hinaus,
– Für die große Anzahl genehmigungspflichtiger Eingriffe auf allen anderen etwa 120 Munitionsverdachtsflächen gibt es weder einen Antrag
noch eine Genehmigung seitens der UNB. - Alle anderen Unterlagen, insbesondere artenschutzfachliche Kartierungen und Artenschutzfachbeiträge werden trotz Zusage und Rechtsanspruch bis zum heutigen Tage nicht zugesendet.
Streit um Genehmigung vom 9.2.-2023
- Genehmigung umfasste nicht nur Schilfmahd, sondern ebenfalls Eingriff in den Schilfbereich als gesetzlich geschütztes Biotop,
- Entsprechend Schilfmahd-Verordnung MV muss Antrag bis zum 1. Oktober des Vorjahres, spätestens jedoch acht Wochen vor dem Beginn der Arbeiten eingereicht werden,
- Antrag wurde erst am 1.2.2023 gestellt,
- Genehmigung zum Eingriff in Biotop bedarf nach öffentlicher Information der UNB selbst etwa 2 Monate, vgl. https://www.lk-vr.de/Kreisverwaltung/Umwelt/Naturschutz/Biotopschutz/
- Genehmigung erfolgte jedoch innerhalb von 7 Tagen,
- Genehmigung der UNB geschah ohne Vorliegen einer artenschutzfachlichen Kartierung und eines Artenschutzfachbeitrags, also ohne jegliche Grundlage für eine sachgerechte Einschätzung,
- nach eigener öffentlicher Information der UNB werden aber diese Informationen vom Antragsteller verlangt, damit die UNB überhaupt eine Entscheidung treffen kann, siehe https://www.lk-vr.de/Kreisverwaltung/Umwelt/Naturschutz/Biotopschutz/
- Genehmigungsprozess verlangt Einbeziehung der anerkannten Naturschutzvereine vor Bescheidung des Antrags,
- Genehmigung ergeht ohne Einbeziehung der Naturschutzvereine,
- 14.3.2023: Schreiben an UNB, dass Auflagen zur Genehmigung vom 9.2.2023 nicht erfüllt werden (Abtransport des gemähten Schilfs, Stehenlassen eines 5m breiten Streifens, kein Befahren mit schwerem Gerät),
- Keine Antwort der UNB,
- 27.3.2023: Einladung an die UNB zu einer Veranstaltung unserer Bürgerinitiative zu den naturschutzrechtlichen Vorgängen auf Pütnitz,
- Keine Antwort der UNB
Streit um Genehmigung vom 24.2.2023
- Antrag wurde vom Vorhabensträger als formlose E.Mail ohne auch nur eine einzige grundlegende Information zur Auswirkung der geplanten Maßnahmen auf Flora und Fauna am 21.2.2023 gestellt,
- Genehmigung durch UNB erfolgte ohne Vorliegen einer artenschutzfachlichen Kartierung und Artenschutzfachbeitrag in Rekordzeit von 3 Tagen am 24.2.2023,
- 21.03.2023: Einlegung Widerspruch gegen Genehmigung vom 24.2.2023,
- 28.03.2023: UNB stimmt Antrag auf sofortige Vollziehbarkeit der Genehmigung vom 24.2.2023 zu, so dass die Munitionsbergungsarbeiten weitergehen,
- 31.3.2023 Ausnahme-Genehmigung der UNB für Munitionsbergungsarbeiten auf Pütnitz läuft ab,
Fortsetzung der Munitionsbergungsarbeiten auf Pütnitz ab dem 1.4.2023
- Stadt Ribnitz-Damgarten setzt Munitionsbergungsarbeiten unbeirrt ab dem 1.4.2023 fort,
- 13.04.2023: Schreiben an UNB zu illegalen Arbeiten auf Pütnitz,
- 14.04.2023: UNB weist Stadt Ribnitz-Damgarten an, Arbeiten zu stoppen,
- 14.04.2023: Stadt Ribnitz-Damgarten stellt Antrag auf Fortsetzung der Arbeiten auf ausgewählten Verdachtsflächen,
- 17.04.2023: UNB genehmigt Antrag auf bestimmten Flächen bis 30.4.2023 durchzuführen und ordnet sofortige Vollziehung an, so dass ein möglicher Widerspruch keine Wirkung entfaltet,
- 17.04.2023: Schreiben an UNB, dass Munitionsbergungsarbeiten im Wasser am Bodden durchgeführt werden,
- 18.04.2023: UNB teilt mit, dass sie die wasserseitigen Arbeiten nicht als Eingriff sieht,
- 12.05.2023: UNB teilt mit, dass sie über keine artenschutzfachliche Kartierung verfügt.
Fortsetzung der Munitionsbergungsarbeiten ab dem 1.10.2023
- 11.09.2023: Antrag des Vorhabenträgers gegenüber der UNB auf Fortsetzung der Munitionsbergungsarbeiten auf einer Fläche von insgesamt 7,4 ha, teilweise auf gesetzlich geschützten Biotopen,
- 4.10.2023: Brief an Hrn. Dr. Backhaus als Minister für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt M-V zu unhaltbaren naturschutzrechtlichen Zuständen bei der Munitionsbergung auf der Halbinsel Pütnitz,
- keine Beantwortung des Briefes bis zum heutigen Tag,
- 6.11.2023 Gespräch bei der UNB: UNB informiert, dass Antrag des Vorhabenträgers vom 11.09.2023 noch nicht entschieden ist,
- 6.11.2023: Schreiben an UNB, wonach die beantragten Arbeiten ohne Genehmigung der UNB ausgeführt werden und Forderung eines Stopps der Arbeiten,
- UNB reagiert nicht,
- 17.11.2023: erneutes Schreiben an UNB zu den – ohne Genehmigung -laufenden Munitionsbergungsarbeiten mit besonderer Darstellung einer Gefährdung besonders geschützter Tiere und Pflanzen und erneute Forderung nach Stopp der Arbeiten,
- UNB reagiert nicht,
- 27.11.2023: 2. Brief an Hrn. Dr. Backhaus als Minister für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt M-V zur Situation auf Pütnitz, insbesondere zum fragwürdigen Agieren der UNB,
- Keine Beantwortung des Briefes bis zum heutigen Tag,
- 15.12.2023: Fachaufsichtsbeschwerde gegen die UNB an die zuständige Abteilung 2 des Ministeriums für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt M-V,
- Keine Beantwortung der Fachaufsichtsbeschwerde bis zum heutigen Tag,
Streit um Genehmigung vom 31.08.2023
- 31.08.2023: UNB genehmigt erneut Eingriff in Schilfbereich (Genehmigung vom 9.2.2023 war abgelaufen, ohne dass die Arbeiten beendigt wurden),
- 29.09.2023: Widerspruch gegen Genehmigung mit Bitte um gesetzlich vorgesehene Akteneinsicht,
- 2.10.2023: E.Mail eines Mitarbeiters der UNB, dass er Akte an Rechtsamt des Landkreises zur Bearbeitung versendet hat und deshalb Akteneinsicht nicht geschehen kann,
- 4.10.2023: Telefonat mit Rechtsamt: Bearbeiter teilt mit, dass er im Homeoffice ist und in der folgenden Woche im Urlaub, so dass Akteneinsicht erst nach seinem Urlaub möglich ist,
- 17.10.2023: Nachfrage beim Bearbeiter Rechtsamt zur Akteneinsicht,
- 17.10.2023: Bearbeiter Rechtsamt teilt mit, dass das Rechtsamt des Landkreises aktuell umzieht und deshalb alle Akten von einem Dienstleister an den neuen Standort transportiert werden. Danach müssen die Akten erst wieder einsortiert werden; Akteneinsicht also in nächster Zeit nicht möglich,
- bis heute hat die UNB die am 29.09.2023 beantragte Akteneinsicht nicht ermöglicht,
- 04.10.2023: Bearbeiter Rechtsamt bezweifelt Widerspruchsbefugnis des VLAMV als anerkannter Naturschutzverein,
- 06.10.2023: UNB ordnet sofortige Vollziehbarkeit der Genehmigung an, damit Munitionsbergungsarbeiten fortgesetzt werden können,
- 27.12.2023: Gerichtlicher Eilantrag gegen Ausnahmegenehmigung der UNB.